Die Forsteliteanstalt
Es ist schon eine Weile her, dass Wolfgang Hintsteiner als Pflichtschüler im Postbus schultagein, schultagaus an der Forstschule am grünen Rand des Stadtkerns von Bruck an der Mur vorbeikam, ohne sich viel unter der Aufschrift auf dem Gebäude vorstellen zu können. Genauso wenig, wie er sich vorstellen konnte, später auf der Liste der Absolvent/innen zu landen und noch später als Lehrer dort ein- und auszugehen.
Seit 1. September dieses Jahres ist Hintsteiner sogar zum Schulleiter bestellt worden, vorerst interimistisch. „Und weil es noch heute vielen so geht wie mir damals, bemühen wir uns sehr, unsere Schule durch die Teilnahme an Bildungsmessen und viel Öffentlichkeitsarbeit bekannt zu machen“, beschreibt Hintsteiner eine seiner zahlreichen Aufgaben.
Die Zeit spielt ihm und der Schule allemal in die Karten: Mehr junge Menschen denn je interessieren sich für die Natur und streben nach sinnstiftenden Berufen in nachhaltigen Disziplinen wie der Forstwirtschaft, der eine Schlüsselrolle in der Klimakrisenbewältigung zukommt.
In der Forstbranche selbst muss die forstliche HBLA nicht mehr groß für sich werben. Das liegt zum einen am fachlichen Standing des Hauses und zum anderen an der Monopolstellung, die Bruck inzwischen hat. Denn Österreichs andere forstwirtschaftliche HBLA in Bad Vöslau ist 2005 im Zuge einer ministeriellen Strukturreform geschlossen worden. „Davon haben wir natürlich profitiert“, bestätigt Hintsteiner das Offenkundige. „Einerseits, indem unsere Schülerzahlen noch weiter gestiegen sind, und andererseits, indem wir zu unserer fünfjährigen Standardausbildung den dreijährigen Aufbaulehrgang dazubekommen.“
Traktoren im Schulinventar
Ganz zu verdenken ist die Entscheidung dem Ministerium nicht, denn die Ausstattung einer Schule wie der in Bruck geht weit über das hinaus, was an anderen Oberstufenschulen Usus ist. So betreibt die Brucker Forstschule zwei Lehrforste, von denen einer in unmittelbarer Standortnähe liegt. Der kalkalpine Lehrforst Lahnhube befindet sich hingegen 45 Autominuten von Bruck entfernt auf einsamen 1.000 bis 1.800 Meter Seehöhe.
In beiden Forsten wird nicht nur Baum- und Waldpflege betrieben, sondern auch gejagt. Und zwar von den Schüler/innen, die im Rahmen ihrer Ausbildung auch die Jagdberechtigungsprüfung ablegen und in Theorie und Praxis alles dafür Notwendige erlernen – einschließlich Schießen und Wildzerlegung.
Ganz im Sinne des Lehrplanes und der forstwirtschaftlichen Realität führen Hintsteiner und seine Kolleg/innen die beiden Lehrforste schulauftragsgemäß sowohl nach ökologischen wie auch nach ökonomischen Gesichtspunkten. Dementsprechend werden die Wälder vom Revierförster gemeinsam mit zwei gestandenen Forstfacharbeitern und den Schüler/innen bewirtschaftet.
Deshalb umfasst das Schulinventar unter anderem auch Traktoren, Seilkräne und anderes Gerät zur Holzbringung, was klarerweise ordentlich ins Budget geht. Nebenbei bemerkt auch in das der Eltern, die für Bergschuhe, Outdoorkleidung und Exotischeres wie Schnittschutzhosen aufzukommen haben.
Neben den Forsten unterhält die HBLA auch eine kleine Alm, auf der sich vor allem der Unterricht in Waldpädagogik abspielt.
Das ist nur eines aus einer ganzen Reihe spezifischer Fächer, die auf dem beeindruckend umfangreichen Lehrplan stehen: Angewandte Biologie, Ökologie, Waldökologie und Waldbau, Forst- und Umweltschutz, Holzprodukte und Bioenergie, Landwirtschaft und ländliche Entwicklung; außerdem Forst- und Arbeitstechnik, Vermessung und Forsteinrichtung, Bauwesen und alpine Gefahren sowie neben dem Jagdwesen auch die Fischerei.
Dazu kommt Unterricht in Projekt- und Qualitätsmanagement, den allgemein bildenden Fächern Deutsch, Englisch und EDV sowie Betriebswirtschaft, Rechnungswesen und Mathematik einschließlich Kosten- und Preistheorie sowie Finanzmathematik. Ein großer Teil des Unterrichts findet praktisch statt, Praktika in Forstbetrieben gehören verpflichtend zum Curriculum.
Nicht nur der Forstdienst ruft
Mehr eierlegende Wollmilchsau geht nicht, weshalb die per Erasmus-Programm international vernetzte Schule auch im Ruf steht, eine exzellente Ausbildung zu bieten, die allerdings nur um den Preis intensiver Mitarbeit zu haben ist. Ein Lied davon weiß Mareiner-Vertriebsfrau Brigitte Treitler zu singen, die in Bruck maturiert hat.
Auch Mareiner-Vertriebsass Martin Breitenberger bestätigt als Absolvent der Schule und gelernter Förster das Ansehen einer Ausbildung in Bruck, die zum überwiegenden Teil Nachwuchs in Breitenbergers Erstberuf hervorbringt. „Die langjährige Erfahrung zeigt, dass rund die Hälfte unserer Absolventinnen und Absolventen nach der entsprechenden Berufspraxis die Staatsprüfung zur Försterin und zum Förster ablegt“, sagt Schulleiter Hintsteiner.
Dass er dabei gendert, ist keine Formalität: Fast ein Fünftel der jungen Leute an der Schule ist bereits weiblich; in den Jagdkursen der Schule ist das Geschlechterverhältnis schon ausgeglichen. Das ist auch das Ziel für die Klassen: „Wir führen neben dem Umweltgütesiegel auch das MINT-Siegel für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik“, ist Hintsteiner stolz, „und das gibt es nur in Verbindung mit Bemühungen, verstärkt Mädchen und junge Frauen dafür zu begeistern. Darum nehmen wir unter anderem auch am Girls’ Day teil.“
Wer nach der Matura nicht in den Revierdienst will, hat mit einem Abschlusszeugnis aus Bruck alle beruflichen und akademischen Möglichkeiten: Arbeit in forsttechnischen Büros, im Lehr- und Versuchswesen, in der Wildbach- und Lawinenverbauung, so wie Brigitte Treitler in der holzverarbeitenden Industrie, im Natur- und Umweltschutz bzw. der Wildökologie wie auch in der Landschaftsplanung oder in Nationalparks. Die Berufsaussichten sind umso glänzender, als die Försterprofession in Österreich zu den Mangelberufen zählt.
Waldbilder aus dem All
Das spricht sich durchaus herum: Mit knapp 120 Schüler/innen stellt die Steiermark den Löwenanteil, doch auch alle anderen Bundesländer sind in Bruck vertreten: Kärnten und Niederösterreich mit je über 60, Oberösterreich mit fast 40 Köpfen. Schlusslicht ist Vorarlberg, aus dem vier Schüler/innen stammen. Immerhin zehn stammen aus Wien. „Man merkt durchaus, dass die Städter etwas anders sozialisiert, aber sehr ernsthaft an der Natur interessiert sind. Das macht unsere Schule so heterogen, wie sie sein soll“, bekräftigt Wolfgang Hintsteiner.
Für die vielen auswärtigen Mitglieder der Schulgemeinschaft bietet die Forst-HBLA in einem sehenswerten geschindelten Holzbau ein Internat, das ebenso zum Campus gehört wie das Haupthaus Baujahr 1900, das ehemalige Brucker Bürgerspital und ein weiterer Neubau aus Holz, für den die Schule einen Holzbaupreis abgeräumt hat.
Um die Auslastung muss sich Hintsteiner wenig Sorgen machen, mehr schon über die Besetzung der offenen Stellen. Denn die Anforderungen an die forstwirtschaftlichen Lehrkräfte sind hoch: Ein abgeschlossenes Studium an der Universität für Bodenkultur plus eine weiterführende Ausbildung an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik werden vorausgesetzt. Wenn die Schule eine Stelle ausschreibt, bewerben sich zwar nicht viele, dafür aber in aller Regel hochqualifizierte Pädagog/innen.
Auch inhaltlich sieht Hintsteiner seine Schule zur stetigen Weiterentwicklung gefordert: Der Klimawandel verlangt nach anderen Konzepten für Waldbau und Waldpflege, und wegen des mancherorts hohen Wilddrucks sind künftig verbesserte Jagdstrategien gefragt.
Auch die Digitalisierung ist ein Riesenthema: „Bald wird die Waldinventur anhand von Satellitendaten und die Waldentwicklung anhand von komplexen Wachstumssimulatoren erfolgen können, und Jungbäume wird man schon in naher Zukunft mit Schwerlastdrohnen an ihren Bestimmungsort bringen. Dazu kommt die Digitalisierung der Daten zum Wald, was bis hin zum Geschäft mit Sägewerken und Holzhändlern geht. Da müssen wir beweglich bleiben.“