Kluge Holzköpfe
Für alle, die in Österreich an den Werk- und Wertstoff glauben, ist die Holzforschung Austria so etwas wie der Vatikan. Im Gegensatz zum Kirchenstaat geht es hier jedoch streng wissenschaftlich zu: Österreichs größtes Forschungs- und Prüfinstitut für Holz erforscht, analysiert und entwickelt Holz als Roh- und Werkstoff. Besondere Berücksichtigung genießt das Bauen und Wohnen mit Holz. Denn die betreibende Österreichische Gesellschaft für Holzforschung versteht sich als Verbindungsstück zwischen der Wissenschaft und allen österreichischen Betrieben, die mit Holz arbeiten. Darüber hinaus befasst sich die Holzforschung Austria auch ausgiebig mit den energiewirtschaftlichen und ökologischen Aspekten der Nutzung bzw. der Be- und Verarbeitung von Holz.
Was das Alter betrifft, kann die Holzforschung Austria mit ihren über 70 Jahren zwar nicht mit dem Vatikan mithalten, dafür hat sie ebenfalls eine zweite Adresse: Neben dem Organisationsmittelpunkt am Wiener Arsenal besteht ein zweiter Standort im niederösterreichischen Stetten, der quasi der Sommerresidenz des Papstes im Aosta-Tal entspricht.
Im Labor und am Freistand
Als außeruniversitäre Einrichtung mit rund 100 Mitarbeiter/innen betreibt die formal als Verein aufgestellte und nicht auf Gewinn ausgerichtete Organisation ausschließlich anwendungsorientierte und praxisnahe Forschung. Die Grundlagenforschung überlässt man den technischen Universitäten und den Naturwissenschaften. Aus dieser Richtung kommt Christina Fürhapper, die in Wien im Fachbereich Bioenergie und chemische Analyse der Holzforschung Austria arbeitet. Schon während ihrer Schulzeit an der Höheren Bundeslehr- und Versuchsanstalt für chemische Industrie in Wien – in Fachkreisen auch als „Rosensteingasse“ bekannt – arbeitete sie in den Schulferien als Praktikantin in der Holzforschung mit. Nach der Matura setzte sie ihre Ferialpraktika im Arsenal als Studentin fort.
Dass die Chemikerin mit Ingenieursdiplom einer Fachhochschule nach der Abschlussprüfung 2004 fix an ihrer Praktikumsstelle zu arbeiten begann, war naheliegend. „Am Anfang und schon als Praktikantin habe ich viele ökotoxikologische Untersuchungen gemacht“, erinnert sich Fürhapper. „Da prüft man beispielsweise im Auftrag der Hersteller Holzschutz- und andere Beschichtungsmittel auf ihre Wirkstoffzusammensetzung und kontrolliert die Abwaschungen aus dem Holz auf mögliche Umwelteinflüsse.“ Tests wie diese führen Fürhapper und ihre Kolleg/innen im Labor wie auch an Prüfständen im Freien durch, oft über Jahre. Inzwischen ist Fürhapper jedoch hauptsächlich mit chemischen Analysen befasst.
Hölzerne Kuckuckseier
Ein Riesenthema dabei sind die Emissionen von Holz, die in der Europäischen Bauprodukteverordnung streng reglementiert sind. „Da geht es auch um Dinge wie Holzleim oder Parkettkleber“, erklärt die Chemikerin. Kontrolliert wird in sogenannten Emissionsprüfkammern: „Das müssen Sie sich vorstellen wie eine Glasvitrine. Die erste Prüfung erfolgt nach drei Tagen, die zweite nach 28. Bei einer Messung müssen wir rund hundert verschiedene flüchtige Stoffe in der Prüfkammerluft identifizieren und quantifizieren.“ Geprüft wird zumeist für Unternehmen, die sich aus finanziellen und organisatorischen Gründen keine eigene technische Infrastruktur für solche Untersuchungen leisten können oder wollen.
Viele ihrer Forschungsprojekte beginnt die Holzforschung Austria aus eigenem Antrieb; viele entstehen aber auch durch Anfragen von Unternehmen. Wie von Mareiner Altholz, die beim Erstkontakt 2018 noch Altholz Baumgartner hieß. Das Datum – März – muss Christina Fürhapper nachschlagen, worum es gegangen ist, weiß sie noch auswendig: „Der Hubert Baumgartner hat sich bei uns gemeldet und gefragt, ob es eine wissenschaftliche Methode gibt, mit der man echtes Altholz von gefälschtem unterscheiden kann.“
Denn in Schlierbach war man sich bei neuen Lieferanten hin und wieder nicht immer ganz sicher, ob man in den zugelieferten Altholz-Chargen nicht Kuckuckseier untergejubelt bekomme: alt wirkendes, aber an Jahren junges Holz, das sich seine Witterungsspuren nicht redlich verdient, sondern bloß durch mehrjährige Lagerung auf freiem Feld erschwindelt hat. „Die Altholz-Mitarbeiter beim Wareneingang haben ja einen fast untrüglichen Instinkt und ein unglaubliches Urteilsvermögen“, sagt Fürhapper, „aber manchmal waren sogar sie nicht hundertprozentig sicher.“
Forschung an ALTHOLZPELLETS
Fürhapper nahm sich der Sache an. Und fand bald heraus, dass der nachweisliche Unterschied in der Farbe und der Benetzbarkeit liegt: „Ob es echtes oder gefälschtes Altholz ist, kann man mit einem Farbglanzmessgerät und einem Benetzungstest prüfen: Echtes Altholz ist deutlich poröser und kann wesentlich mehr Wasser aufnehmen als Jungholz.“ Finanziert wurde das Ganze durch einen sogenannten Innovationsscheck der staatlichen Forschungsförderungsgesellschaft FFG.
Wie sich zeigte, war das allermeiste fragliche Altholz echt; nur einige wenige enttarnte Ausnahmen wurden an den Lieferanten zurückgespielt. „Wenn sie sich bei Altholz unsicher sind, schicken sie uns unmittelbar eine Probe und wir analysieren diese schnell“, freut sich Fürhapper über den laufenden Kontakt mit Schlierbach.
In Sachen Forschungszusammenarbeit blieb es nicht bei der Authentizitätsprüfung: In einem zweiten Projekt untersuchte die Holzforschung Austria aus eigenem Antrieb, ob sich die Reststoffe der Holzarbeit in der Schlierbacher Altholzmanufaktur nicht als „Ersatzbrennstoff“ – sprich: Pellets – nutzen ließen. Mareiner-Altholz-Geschäftsführer Armin Hirsch und Christina Fürhapper fassen das Ergebnis unisono zusammen: „Technisch und theoretisch möglich, praktisch leider uninteressant, da zu teuer und damit nicht wirtschaftlich.“
Musterbeispiel Schlierbach
Seit Kurzem machen die Holzforschung Austria und Mareiner Altholz wieder gemeinsame Sache: im Zuge des dreijährigen Forschungsvorhabens „Timber Loop“, an dem auch eine ganze Reihe anderer Holzverarbeiter wie tilo und Weitzer Parkett mitwirkt. Wieder geht es um Kreislaufwirtschaft, aber auf einem ganz anderen Level als bei dem kleinen Pelletsprojekt: „Hat Holz das Ende seines ersten Lebenszyklus erreicht, wird es bis heute entweder an die Spanplattenindustrie durchgereicht oder gleich verbrannt“, bedauert Christina Fürhapper, „vor allem, wenn es als Konstruktionsholz tragende Funktion hatte. Das ist reines Downgrading, das nichts mit Re- oder gar Upcycling zu tun hat.“
„Timber Loop“ sucht nun nach Wegen, dem alten Holz auf einem höheren Niveau und in größeren Dimensionen zu einem zweiten Leben zu verhelfen. Die Expertise von Mareiner Altholz ist hier hochwillkommen: „Wir bringen uns auf Einladung der Holzforschung als Best-Practice-Beispiel ein“, erklärt Armin Hirsch. So besteht der Part von Mareiner Altholz darin, die in Schlierbach geschmiedete End-to-end-Prozesskette von der Altholz-Anlieferung über die Aufbereitung und Veredelung bis hin zur Auslieferung an die Kund/innen und anschließenden Neuverwendung als Wissensbasis zur Verfügung zu stellen. Christina Fürhapper ist optimistisch, was das Projekt angeht: „Wir spüren eine große Bereitschaft und Offenheit der Holzbranche für hochwertiges Holzrecycling.“
forscht und entwickelt entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Bereich Holz: angefangen von der Holzlagerung im Wald über die Holzverarbeitung bis hin zu konkreten Anwendungen wie Brettschichtholz oder dem mehrgeschossigen Holzbau. Nahverwandte Fachdisziplinen wie Oberflächen- und Beschlagtechnik, Holzschutz, Bioenergie, Zellstoffproduktion, Verbindungsmittel und Klebstofftechnologie gehören in Wien und Stetten ebenfalls zum Arbeitsalltag.
Das Institut ist für alle Prüf- und Inspektionsverfahren akkreditiert, die für die Holzverarbeitung bedeutsam sind. Die Prüfberichte und Zertifikate des Hauses sind international anerkannt.